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Geldanlage

Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im April 2020 auch in Deutschland stellte man sich an den Finanzmärkten die Frage: Ist die Corona-Krise der Anfang vom Ende oder einmalige Kaufchance? Wenn man nun zum Jahreswechsel 2020/2021 zurück blickt, dann zeigt sich der deutsche DAX Index seit Jahresbeginn 2020 nahezu unverändert, scheint der europäische Eurostoxx 50 Index mit rund -6 Prozent eine normale Korrektur durchlaufen zu haben, während sich amerikanische und chinesische Indizes 10 bis 15 Prozent nach oben entwickelt haben und der technologieorientierte NASDAQ 100 Index mit mehr als +35 Prozent sogar ein sehr positives Jahr erreicht hat. Deutliche Minus-Zeichen gibt es bislang nur in Großbritannien, Spanien, Österreich und Russland.

Die Corona-Pandemie wird der Wirtschaft noch einiges abverlangen
Wüsste man nicht, dass wir im Frühjahr 2020 mit dem Corona-Crash einen noch nie dagewesenen Einbruch binnen kürzester Zeit erlebt haben, man könnte es anhand der Zahlen gar nicht herauslesen. Insofern war die Corona-Krise im Rückblick Stand heute tatsächlich eine "einmalige Kaufchance". Inzwischen gibt es die ersten Impfstoffe und in den letzten Tagen haben die Impfungen auf globaler Ebene begonnen. Somit scheint es möglich, dass die Corona-Krise in einem überschaubaren Zeitraum von der Börsen-Bildfläche verschwindet. Aber: Dieser überschaubare Zeitraum scheint auch noch einmal eine sehr harte Zeit zu werden. Die Steigerungsrate der globalen Fallzahlen ist seit Monaten sehr stabil. Gegenwärtig überschreiten wir die Marke von 60 Millionen Fällen weltweit. Sollte sich dieser Trend nicht plötzlich ändern, werden wir bis zum Januar auch die Marke von 100 Millionen Infizierten erreichen. Und genau darin liegt das Problem der unmittelbar vor uns liegenden Wochen: Die Steigerungsrate mag abgeschwächt werden können, die schiere Masse an zu erwartenden Neuinfektionen wird aber trotzdem zu Überlastungen im Gesundheitswesen führen. So unschön Gesamtsituation und viele der Ungerechtigkeiten im konkreten Fall auch sein mögen, ist das Agieren der Politik in Deutschland in ihren Resultaten insgesamt als positiv zu werten. Die wirtschaftlichen Folgen sind ungeachtet dessen massiv.

Tatsächlich scheint in diesem Jahr eine Pleitewelle auf uns zu zu rollen - querbeet über die gesamte Wirtschaft. Außerdem stehen wir vor der Frage, wie die zusätzlich aufgenommenen Schuldenberge zurückzuzahlen sind. Diese Frage stellt sich in den meisten Ländern noch viel dringender als in Deutschland. Aber werden die Börsen deshalb ins Bodenlose stürzen wie viele noch immer befürchten? Wir vermuten recht eindeutig: Nein. Zwar ist nicht auszuschließen, dass es auch bei einigen der größten deutschen Unternehmen zu deutlichen "Anpassungen" (beispielsweise Entlassungen, Betriebsstilllegungen oder sogar Pleiten) kommen wird und dass die Aktienkurse dieser Unternehmen einbrechen werden. Aber insgesamt erscheint die Wirtschaft stark genug, um das auf Sicht einiger Monate oder weniger Jahre wieder vollends auszugleichen. In Summe gehen wir daher nicht davon aus, dass die Börsen massiven Schaden erleiden werden. Die Gründe für diese Sichtweise möchten wir nachfolgend näher erläutern. Tatsächlich gibt es ja noch andere Themen als das Corona-Virus.

Präsidentenwechsel in den USA - Wieder Zuversicht auf eine planbare und verlässliche Zusammenarbeit
Donald Trump ist abgewählt. Zu dieser Einsicht scheint inzwischen auch er selbst gekommen zu sein. Ob er trotzdem weiter versuchen wird, die Gesellschaft zu spalten oder sich doch dazu entscheidet, lieber Golfen zu gehen, bleibt abzuwarten. Mit dem Isolationismus Trumps dürfte auch der Rückzug der USA als militärische Führungsmacht Geschichte sein. Der neue Präsident Joe Biden hat hier bereits eine andere Gangart angekündigt. Was auch immer das konkret heißen mag, dürften die USA künftig insgesamt wieder vermehrt für militärisches Eingreifen stehen. Zugleich wird die Biden-Administration mehr für die internationale Zusammenarbeit und planbareres Agieren leisten. Zwar ist keine grundsätzliche Kehrtwende in der China-Politik zu erwarten, aber auch hier dürfte die internationale Kommunikation versöhnlicher werden. Planbarkeit und Verlässlichkeit - zwei Eigenschaften, die für die Börsen grundsätzlich positiv sind. Die angekündigten Steuererhöhungen wird Biden aufgrund der Konstellation des Wahlergebnisses wohl nicht in der beabsichtigten Form durchbringen können. Unterm Strich sollte sich der Machtwechsel in den USA daher nicht sonderlich negativ auf die mittelfristigen Börsenaussichten auswirken.

Die Wirtschaft in China und vielen anderen asiatischen Ländern läuft bereits wieder auf Hochtouren. Obwohl noch nicht gänzlich ausgelöscht, scheint Corona im Reich der Mitte doch weitestgehend unter Kontrolle. Gleiches gilt für viele andere Regionen in Asien. Mit dem Impfstoff in Sichtweite wird das Virus diesen Teil der Welt wohl nicht mehr wirtschaftlich erschüttern können. Der zentrale globale Wirtschaftsmotor läuft also. Vor Kurzem wurde in Asien zudem ein enormes Freihandelsabkommen unterzeichnet. Zwar muss es erstmal von den beteiligten Ländern ratifiziert werden und einige Experten schätzen die positiven Auswirkungen dieses Abkommens als weitaus geringer ein, als es zunächst den Anschein macht. Grundsätzlich dürfte dieses Freihandelsabkommen aber positiv wirken.

Notenbanken und Fiskalpolitik verfolgen weiter massive geldpolitische Unterstützungsmaßnahmen
Die Zinsen in Europa sind bei Null oder sogar leicht darunter. Das ist soweit nichts Neues – diese Situation kennen wir seit Jahren. Was aber in dieser Form völlig neu ist, ist die Tatsache, dass die US-amerikanischen Zinsen quer über alle Laufzeiten im Einklang ebenfalls auf Null oder nur knapp über Null gesunken sind. Der nachfolgende Chart zeigt die Zinsentwicklung für Laufzeiten von einem, fünf, zehn und 30 Jahren bei US-amerikanischen Staatsanleihen. Einen derartig synchronen Einbruch der Zinssätze auf ein so niedriges Niveau hat die Finanzwelt bei US-Staatsanleihen noch nicht gesehen.

Den meisten Anlegern dürften die langfristigen Auswirkungen des massiven Zinseinbruchs unklar sein oder sogar suspekt vorkommen. Vom Hochpunkt im Jahr 2018 haben sich die Zinssätze gedrittelt bis gezehntelt. Für viele institutionelle Investoren heißt das nichts anderes, als dass andere Anlageklassen wie etwa Aktien oder Immobilien - sofern deren Erträge konstant bleiben - sich im Preis verdreifachen oder sogar verzehnfachen können, ohne dass eine rechnerische, relative Überbewertung vorliegt. Solange die US-Zinsen nicht einen massiven Aufwärtsschub bekommen, sollte das weiter zu kräftigen Zuflüssen in die Aktienmärkte führen. Massive staatliche Eingriffe und Subventionen, ein Virus, das bald unter Kontrolle zu sein scheint, gepaart mit positiveren, internationalen Beziehungen und Umgangsformen, ein wirtschaftlich wiedererstarktes Asien und on top noch ein jetzt quasi global auf 0 gestellte Zinsumfeld - all das scheint in Summe das Potential für ein "globales Wirtschaftswunder" zu haben. Dies dürfte durch die schon fast traumhaften Bedingungen zu deutlich positiven Aktienkursentwicklungen führen. Als Kehrseite der Medaille sollte jedoch bald auch ein deutlicher Inflationsdruck spürbar sein, wenn alles so zusammenkommt, wie es jetzt scheint. Dieser dürfte tatsächlich auch für Gefahren sorgen, allerdings noch nicht unmittelbar, sondern frühestens für den Zeitraum ab dem dritten Quartal 2021 oder gar erst ab 2022. Ebenso sollte man nicht das Risiko steigender Marktzinsen vernachlässigen, das sich aus steigenden Inflationszahlen ergibt und der Börseneuphorie einen Dämpfer verpassen dürfte. Noch weiter in die Zukunft gedacht ist es auch möglich, dass diese Gemengelage sogar an einen Punkt führt, an dem die finanzielle Schuldentragfähigkeit von Staaten erneut als großes Thema auf den Tisch kommen wird. Bis dahin sollte aber noch etwas Zeit sein und wer sich aufgrund dieser Argumente von den Märkten fernhält, dürfte lange Zeit steigenden Kursen hinterherlaufen - was diese zunächst noch weiter befeuern dürfte.

Ansonsten bleibt nur der Verweis auf die "üblichen Gefahren", wie Geopolitik, Naturkatastrophen, neue Viren, Terror, Meteoriteneinschläge und die allgemeine Gefahr des Weltuntergangs, den sich viele Propheten ja jedes Jahr von Neuem so sehnlich herbeizuwünschen scheinen. Der Weg wird zwar in den unmittelbar vor uns liegenden Wochen durch die Corona-Pandemie und auch danach durch überraschend negative Meldungen einzelner, großer Unternehmen sicherlich holprig werden. Die Tendenz aber erscheint eindeutig: Wägt man Für und Wider gegeneinander ab, stehen im Moment alle Börsenampeln auf Grün.

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Quelle: Tobias Kunkel, Investment Strategy & Research

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